Kevin hat mir eine Frage geschickt, die mit Sicherheit auch andere Designer beschäftigt:

„Wie gehe ich mit Projekten bzw. Kundenanfragen um, denen ich vom eigenen Gefühl her nicht gewachsen bin?”

Ich freu mich, dass es mal wieder eine Session gibt und ich dir diese Frage so gut es geht beantworten kann.

Kevin hat mir eine Frage geschickt, die mit Sicherheit auch andere Designer beschäftigt:

„Wie gehe ich mit Projekten bzw. Kundenanfragen um, denen ich vom eigenen Gefühl her nicht gewachsen bin?”

Ich freu mich, dass es mal wieder eine Session gibt und ich dir diese Frage so gut es geht beantworten kann.

Kevin schreibt:

Ich bin 23 Jahr jung, habe eine abgeschlossene Berufsausbildung als Einzelhandelskaufmann mit der Qualifikation zur Mittleren Führungsebene. Ich habe im Anschluss eine Ausbildung als Mediengestalter im Digital und Print Bereich mit Schwerpunkt Gestaltung und Technik begonnen (01. August 2017). Hauptsächlich designe und setze ich Kundenprojekte in meiner Agentur um. Seit circa sieben Jahren bin ich „Hobby Designer“. Ich habe mich jahrelang mit Social Media Design und Typografie auseinandergesetzt, Kunden aus der eSports Community betreut (also „Zockerteams“) und deren Social Media Auftritt geplant und designed.

Zwei bis drei Monate vor Beginn der Ausbildung habe ich mich dann sehr stark mit dem Design von Websites beschäftigt, DailyUI Challenges mitgemacht etc.

Ich behaupte ich bin sehr sicher im Umgang mit Sketch und der Adobe CC, mit Kunden hatte ich Jahre zutun, aufgrund der Einzelhandelskaufmann Ausbildung. Also Angst vor Kunden zu sprechen und mein Design zu argumentieren habe ich eigentlich nicht.

Vor circa zwei Wochen hatte ich eine Anfrage von einem größeren Unternehmen (möchte ich an der Stelle nicht nennen) für ein Re-design der aktuell bestehenden Internetseite bekommen. Zu den Aufgaben sollten gehören: Redesign der Website + Umsetzung, neue Corporate-ID, Social Media Auftritt etc.pp - die Liste war lang! Zuerst habe ich mich natürlich total gefreut, die Euphorie war groß, ich habe schon das Geld vor mir gesehen und wie ich stundenlang abends nach der Arbeit an dem Kundenprojekt saß von dem ich natürlich total überzeugt war. Nicht nur das Geld, auch die Erfahrungen welche ich hätte sammeln können, waren mir hier total wichtig. Der Kunde hatte sich per Nachricht über Behance gemeldet, wir traten dann per Mail in Kontakt und hatten schon kurzfristig einen Termin am gleichen Tag für abends ausgemacht, für das erste Kennenlernen und allgemeine besprechen des Projekts.

Wir waren uns auf anhieb per du. Mithilfe deiner Podcast Folge: „Diese Fragen solltest du vor jedem Projekt stellen“ konnte ich dann auch so ziemlich genau herausfinden was der Kunde eigentlich von mir wollte, was ihm wichtig war und worauf zu achten ist. Nach dem circa ein einhalb stündigen Gespräch hatten wir uns auf ein erstes Treffen geeinigt, das ganze sollte direkt am Samstag von statten gehen.

Jetzt hatte ich zwei bis drei Tag dazwischen wo ich Zeit für mich hatte und über das ganze Thema nachdenken konnte. Erst war ich total begeistert, wie oben schon erwähnt, doch dann kamen die ersten Zweifel als ich mich weiter damit beschäftigte. Meine Sorge war die ganze Zeit:

  • Kann ich den Kundenwunsch eigentlich erfüllen?
  • Ist das Projekt zu groß für mich?
  • Was ist wenn ich mich mit diesem Projekt überschätze?

Ich hatte Zweifel an mir selbst wobei ich doch schon Jahre davor Kunden betreute, Kunden die eine sehr große Reichweite hatten, Kunden mit mehr als 500.000 Twitter Followern.

Nun ließen mich diese Fragen nicht in Ruhe, also habe ich kurzerhand einen Arbeitskollegen nach seinem Rat gefragt, das ganze Projekt einmal zu betrachten um zu schauen ob es nicht wirklich zu groß für mich sei und ob die Anforderungen die an mich gestellt wurden nicht „noch“ eine Nummer zu hoch für mich waren. Und siehe da, mein Arbeitskollege hatte mir geraten die Finger davon zu lassen, da das ganze Projekte echt zu heiß war. Es schien ihm als hätte eine Gruppe von min. drei Designern und Entwicklern daran arbeiten müssen wenn ich nicht wollte das es ein Jahresprojekt wird.

Jetzt habe ich dem Kunden natürlich abgesagt da mir Freizeit doch schon ganz wichtig ist und ich mir nicht etwas anmaßen möchte was ich hinterher nicht bewältigt bekomme. Auf der einen Seite bin ich etwas traurig abgelehnt zu haben, nicht nur wegen des Gelds, natürlich auf wegen der Erfahrungen die man während eines solchen Prozesses macht, nicht nur Design wise sondern auch der Umgang mit dem Kunden.

Nun ist meine Frage: "Wie gehe ich mit Projekten/Kundenanfragen um, denen ich vom eigenen Gefühl her nicht gewachsen bin?“ Habe ich richtig gehandelt? Was hättest du anders gemacht um vielleicht ein für dich besseres Ergebnis zu erzielen?

Danke, dass du zugehört hast! Vielleicht höre ich ja bald etwas über diese Geschichte in einer deiner Podcast Folgen.

Liebe Grüße, Kevin

Wie sicher warst du schon mit einem Fuß im Projekt?

Danke für diese Frage Kevin! Das katapultiert mich direkt in Phasen, in denen ich exakt die gleichen Schwierigkeiten hatte. Und auch heute gibt es bei mir Momente, in denen ich selbst zwar nach außen hin „cool wirken” möchte, innerlich aber schon merke, dass ich nicht 100% sicher bin.

Wenn ich mir deine Story so anhöre, frage ich mich natürlich, wie „sicher” du dieses Projekt schon wirklich in der Tasche hattest. Ich weiß, das ist irgendwie gemein zu fragen, weil du es natürlich als sehr sicher empfunden hast, sonst hättest du dir nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Ich frage nur, weil es wirklich oft vorkommt, auch gerade, wenn du Projektanfragen aus dem Internet bekommst, dass Kunden sich auch mal mehrere Angebote/Preise einholen. Und nur weil du die ersten Gespräche mit ihm hattest, heisst das nicht, dass er danach nicht noch bei jemand anderem angefragt hat. Das ist aber auch sein gutes Recht und absolut verständlich aus der Kundensicht.

Sicher hast du einen Auftrag erst, wenn er unterschrieben ist und der Kunde dir 50% im Voraus überwiesen hat.

Hattest du ihm ein Angebot geschrieben? Hat er es schriftlich bestätigt?

Der Grund, warum ich das sage, ist, dass wir sehr sehr schnell dazu tendieren, super happy über eine neue Projektanfrage zu sein, wo eigentlich noch gar keine Sicherheit dahinter steht.

Von mir selbst weiß ich, dass ich gerade bei früheren Anfragen schon schnell in den Recherche-Prozess übergegangen bin, obwohl der Auftrag am Ende gar nicht stattfand. Das heisst, ich habe schon Arbeit geleistet, nur weil ich innerlich mich schon so gefreut hatte. Leider ist nie eines der Projekte zustande gekommen. Es war keine Sicherheit da. Ich habe mir umsonst Sorgen und Gedanken gemacht.

Und dieses Gefühl musst du erstmal überwinden. Es muss für dich „normal“ sein, so eine Anfrage zu bekommen. Egal welcher Name dahinter steht und egal wie viel Geld sie anscheinend bezahlen. Du musst durchatmen, cool bleiben, jede Anfrage als gleich „normal” betrachten und deinen Standard Prozess durchführen. Das heisst, die richtigen Fragen stellen, mit dem Kunden ins Gespräch kommen, dir ein Bild von dem ganzen machen und jede mögliche Unsicherheit klären.

Und ich weiß das ist viel verlangt und nicht einfach. Du brauchst Erfahrung um auch sicher auftreten zu können. In deinem Fall vermutlich noch 20 solcher Projektanfragen.

Glaub mir, ich war in der exakt gleichen Position. Nicht nur einmal. Ich hätte weinen können, weil ich mich innerlich gefühlt habe, als würde ich mich nicht trauen oder als hätte ich versagt.

Und vielleicht sind wir manchen Projekten auch nicht gewachsen. Und das müssen wir gezielt rausfinden und auch selber akzeptieren. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass sie uns zu lange beschäftigen.

Wenn du verstehen willst, wie du diesen Problemen aus dem Weg gehen kannst, dann habe ich hier jetzt ein paar persönliche Ratschläge für dich, die mir aus solchen Situationen geholfen haben und die ich auch gerne mit dir teilen würde.

Sei dir bewusst: Du brauchst dieses Projekt nicht!

Einer deiner Aufgaben ist es, zu wissen, wie du antwortest, wenn du mit einem Kunden schreibst, telefonierst oder im Gespräch bist. Die Fragen, die er stellt, die Fragen die du stellen musst, müssen Sicherheit haben. Der Kunde darf nicht in die Lage kommen, an etwas zu zweifeln, nur weil du etwas mit Fragezeichen erklärst. Das ist die Grundlage und du weißt, dass geht nur durch Übung. Aber für mich ist das die Basis und aus der heraus machst du folgendes:

Wenn du jemanden an der Leitung hast und er dir erzählt der Auftrag ist beispielsweise für Adobe (zufällig ein Kunde, der genau zu dir passt und für den du sehr gerne arbeiten würdest), dann willst du das Projekt ja sogar noch mehr. Du hörst nur den Namen und schweifst gedanklich schon ab. Aber das ist eine Kopfsache und ein Gedankenspiel.

Was du schaffen musst, und das ist eine extrem schwere Fähigkeit zu lernen, ist, zu sagen: „Ich brauche diesen Auftrag nicht”. Egal wie toll der Kunde ist. Du bist in einer Position, in der du diesen Kunden nicht zwingend brauchst. Im Gegenteil, er braucht dich. Und damit nimmst du dir extrem viel Druck.

Natürlich wäre das ein toller Auftrag aber dir geht’s doch gut?! Du hast meinetwegen einen Job, eine tolle Freundin, eine Wohnung, jeden Tag essen. Du bist nicht in der Position, diesen Kunden zwingend annehmen zu müssen.

In diese Position musst du aber erstmal kommen und aus der heraus musst du auch agieren. Nur so kannst du dein Gedankenspiel überwinden. Indem du dir selbst den Druck entziehst.
Wer dich braucht, und deswegen kontaktiert er dich ja, ist der Kunde. Du bist also in der besonderen Position, dass er auf dich zukommt. Nutze das aus.

Was ist so schlimm daran abzusagen? „Nein” ist dein Freund!

Ich weiß, von außen ist es immer leicht zu sagen, du brauchst diese eine Sache ja eigentlich nicht. Aber du selbst weißt, dass du das Projekt eben schon sehr gerne machen würdest.

  • Warum brauchst du dieses Projekt?
  • Bekommst du zu wenige Aufträge?
  • Hast du zu wenig Geld?
  • Möchtest du mehr Erfahrung sammeln?
  • Oder alles zusammen?

Um nicht in ein Problem wie deines zu kommen, wo du das Gefühl hast, du bist etwas nicht gewachsen, musst du alle diese Sorgen streichen können. Bei mir persönlich hat es nur so funktioniert.

Ich kann in jede Projektanfrage mit einer „diesen Auftrag brauche ich nicht” Einstellung reingehen.

  • Gedanklich weiß ich, ich habe genügend Arbeit zu tun.
  • Innerlich weiß ich, nach dieser Projektanfrage kommt wieder eine nächste und wieder eine nächste. Es ist egal, ob ich sie absage.
  • Ich habe mir genügend Geld angespart, um ein halbes Jahr in Sicherheit ohne Auftrag leben zu können.

Der Punkt Erfahrung ist natürlich nie abzuhaken. Das ganze Leben ist ein Lernprozess und bei jedem Projekt kannst du mehr Erfahrung sammeln. Aber die Erfahrung, die du in der Vergangenheit gemacht hast, muss mir genügend Sicherheit geben um absolut kein Problem mit irgendeinem Punkt in der Auftragsbeschreibung zu haben. Wenn da was dabei ist, das ich noch nie gemacht habe, dann muss ich das ehrlich kommunizieren oder das Projekt absagen. Aber damit darf ich keine Probleme haben.

Every yes is a no to everything else. To earn the right to say yes, you must say no many more times. No is your friend.
Sean McCabe

Du brauchst mehr Projektanfragen

Ich will offen und ehrlich sein. Ich erhalte momentan monatlich drei bis vier Projektanfragen und ich habe alle im letzten halben Jahr abgesagt. „Nein” ist für mich die Ausgangslage geworden. Ich habe genügend Arbeit und interessante Projekte, die ich zusammen mit einem Kollegen bearbeite. Das heisst, es könnte Adobe oder sonst wer um die Ecke kommen und ich würde trotzdem „nein” sagen können. Und das gibt mir extrem viel Stärke und Selbstvertrauen. Und nur über diesen Weg habe ich das auch geschafft.

Das Projekt muss also wirklich sehr verlockend und interessant für mich sein, dass ich es zusätzlich annehmen würde. Und es waren definitiv bei den letzten Anfragen interessante Projekte dabei, aber abzusagen oder zu meinem Preis zu stehen, ist heute mein Standard.

Meine Ausgangslage ist jetzt also eine andere als bei dir. Du bekommst wie viele gute Projektanfragen pro Monat? Wenige? Wie viele pro Jahr? Drei? Vielleicht fünf? Klar fühlst du dich da, als würdest du dieses Projekt brauchen.

Um dein Gefühl überwinden zu können, brauchst du also auch mehr Projektanfragen. Wie du das hinbekommst ist ein anderes Thema aber für mich hat es funktioniert.

Vertrauen aufbauen durch Ehrlichkeit

Jetzt noch mal kurz ein paar Punkte, die ich vielleicht anders gemacht hätte:

Eins deiner Sorgen war: Kann ich den Kundenwunsch eigentlich erfüllen?

Sag dem Kunden ehrlich, dass du mit dem Projekt ein wenig überfordert bist oder wo du Schwierigkeiten siehst. Und selbst, wenn du nicht „überfordert” verwenden möchtest, sag ihm, dass du nach deinen Erfahrungen dafür mehr Hilfe benötigst.

Offen und ehrlich zu sein, zahlt sich immer aus. Und damit positionierst du dich auch als Experte. Du kannst das Projekt analysieren und ihm sagen, dass folgende Leute benötigt werden.

Du musst zu deinen Sorgen stehen und wenn du ihm am Ende absagst, auch keine Ausrede erfinden müssen. Deine Sorgen helfen ihm auch weiter und vielleicht kommt er deshalb irgendwann wieder auf dich zurück.

Hol dir zusätzliche Hilfe/Mitarbeiter

Ist das Projekt zu groß für mich?

Habt ihr über einen Zeitplan gesprochen? Wie war die Deadline?

Wenn du schreibst, dass du alleine bestimmt ein Jahr gebraucht hättest, hätte das der Kunde überhaupt mitgemacht? Wäre das nicht der Zeitpunkt gewesen, zu sagen, wenn es schneller gehen soll, musst du dir noch andere mit ins Team holen?

Der Kunde weiß nicht, wie lange bestimmte Dinge dauern. Hier ist deine Erfahrung gefragt.

Und indem du dir andere mit ins Boot holst, nimmst du dir selbst die Unsicherheit. Weil eines deiner Hauptsorgen war ja, dass das Projekt zu viel bzw. zu groß für dich ist. Warum also nicht jemanden Erfahrenen für einen bestimmten Bereich mit reinholen? Du kannst nicht alles alleine machen und das musst du akzeptieren!

Das massive Projekt in kleinere Etappen unterteilen

Du kennst das sicher aus vielen Bereichen. Wenn du eine große Aufgabe oder ein Ziel in kleinere ToDos unterteilst, wirkt es auf einmal gar nicht mehr so riesig. Das Gleiche funktioniert auch bei Kundenprojekten.

Bau einen Zeitplan auf und sage realistisch, wann welche Aufgabe gemacht werden kann. Ein Jahresprojekt klingt erstmal wahnsinnig erdrückend, aber was ist, wenn du dir einzelne Parts nimmst und jeden Monat ein bisschen was abhakst?

Auch wenn das Ganze ein großes Projekt ist, das auch lange dauert, darfst du dich nicht vom Umfang erdrücken lassen.

Von Anfang an die richtige Größe an Kunden anziehen

In der Tat habe ich schon mal eine Q&A Frage zu einem ähnlichen Thema beantwortet. Es liegt also auch an dir, welche Kunden du mit deinem Portfolio anziehst und welche Projekte vielleicht wirklich zu groß für dich sind. Ein weiterer Beitrag passend zu diesem Thema:

Q&A: An Grenzen stoßen und sich Projekt nicht zutrauen

Ich hoffe, ich konnte dich mit dieser Folge ein wenig Stärken. Falls du auch eine Frage oder ein Anliegen hast, sende mir gerne eine Nachricht.


Projekte, denen du vom Gefühl her nicht gewachsen bist - Selbstzweifel als Designer überwinden
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Kevin schreibt:

Ich bin 23 Jahr jung, habe eine abgeschlossene Berufsausbildung als Einzelhandelskaufmann mit der Qualifikation zur Mittleren Führungsebene. Ich habe im Anschluss eine Ausbildung als Mediengestalter im Digital und Print Bereich mit Schwerpunkt Gestaltung und Technik begonnen (01. August 2017). Hauptsächlich designe und setze ich Kundenprojekte in meiner Agentur um. Seit circa sieben Jahren bin ich „Hobby Designer“. Ich habe mich jahrelang mit Social Media Design und Typografie auseinandergesetzt, Kunden aus der eSports Community betreut (also „Zockerteams“) und deren Social Media Auftritt geplant und designed.

Zwei bis drei Monate vor Beginn der Ausbildung habe ich mich dann sehr stark mit dem Design von Websites beschäftigt, DailyUI Challenges mitgemacht etc.

Ich behaupte ich bin sehr sicher im Umgang mit Sketch und der Adobe CC, mit Kunden hatte ich Jahre zutun, aufgrund der Einzelhandelskaufmann Ausbildung. Also Angst vor Kunden zu sprechen und mein Design zu argumentieren habe ich eigentlich nicht.

Vor circa zwei Wochen hatte ich eine Anfrage von einem größeren Unternehmen (möchte ich an der Stelle nicht nennen) für ein Re-design der aktuell bestehenden Internetseite bekommen. Zu den Aufgaben sollten gehören: Redesign der Website + Umsetzung, neue Corporate-ID, Social Media Auftritt etc.pp - die Liste war lang! Zuerst habe ich mich natürlich total gefreut, die Euphorie war groß, ich habe schon das Geld vor mir gesehen und wie ich stundenlang abends nach der Arbeit an dem Kundenprojekt saß von dem ich natürlich total überzeugt war. Nicht nur das Geld, auch die Erfahrungen welche ich hätte sammeln können, waren mir hier total wichtig. Der Kunde hatte sich per Nachricht über Behance gemeldet, wir traten dann per Mail in Kontakt und hatten schon kurzfristig einen Termin am gleichen Tag für abends ausgemacht, für das erste Kennenlernen und allgemeine besprechen des Projekts.

Wir waren uns auf anhieb per du. Mithilfe deiner Podcast Folge: „Diese Fragen solltest du vor jedem Projekt stellen“ konnte ich dann auch so ziemlich genau herausfinden was der Kunde eigentlich von mir wollte, was ihm wichtig war und worauf zu achten ist. Nach dem circa ein einhalb stündigen Gespräch hatten wir uns auf ein erstes Treffen geeinigt, das ganze sollte direkt am Samstag von statten gehen.

Jetzt hatte ich zwei bis drei Tag dazwischen wo ich Zeit für mich hatte und über das ganze Thema nachdenken konnte. Erst war ich total begeistert, wie oben schon erwähnt, doch dann kamen die ersten Zweifel als ich mich weiter damit beschäftigte. Meine Sorge war die ganze Zeit:

  • Kann ich den Kundenwunsch eigentlich erfüllen?
  • Ist das Projekt zu groß für mich?
  • Was ist wenn ich mich mit diesem Projekt überschätze?

Ich hatte Zweifel an mir selbst wobei ich doch schon Jahre davor Kunden betreute, Kunden die eine sehr große Reichweite hatten, Kunden mit mehr als 500.000 Twitter Followern.

Nun ließen mich diese Fragen nicht in Ruhe, also habe ich kurzerhand einen Arbeitskollegen nach seinem Rat gefragt, das ganze Projekt einmal zu betrachten um zu schauen ob es nicht wirklich zu groß für mich sei und ob die Anforderungen die an mich gestellt wurden nicht „noch“ eine Nummer zu hoch für mich waren. Und siehe da, mein Arbeitskollege hatte mir geraten die Finger davon zu lassen, da das ganze Projekte echt zu heiß war. Es schien ihm als hätte eine Gruppe von min. drei Designern und Entwicklern daran arbeiten müssen wenn ich nicht wollte das es ein Jahresprojekt wird.

Jetzt habe ich dem Kunden natürlich abgesagt da mir Freizeit doch schon ganz wichtig ist und ich mir nicht etwas anmaßen möchte was ich hinterher nicht bewältigt bekomme. Auf der einen Seite bin ich etwas traurig abgelehnt zu haben, nicht nur wegen des Gelds, natürlich auf wegen der Erfahrungen die man während eines solchen Prozesses macht, nicht nur Design wise sondern auch der Umgang mit dem Kunden.

Nun ist meine Frage: "Wie gehe ich mit Projekten/Kundenanfragen um, denen ich vom eigenen Gefühl her nicht gewachsen bin?“ Habe ich richtig gehandelt? Was hättest du anders gemacht um vielleicht ein für dich besseres Ergebnis zu erzielen?

Danke, dass du zugehört hast! Vielleicht höre ich ja bald etwas über diese Geschichte in einer deiner Podcast Folgen.

Liebe Grüße, Kevin

Wie sicher warst du schon mit einem Fuß im Projekt?

Danke für diese Frage Kevin! Das katapultiert mich direkt in Phasen, in denen ich exakt die gleichen Schwierigkeiten hatte. Und auch heute gibt es bei mir Momente, in denen ich selbst zwar nach außen hin „cool wirken” möchte, innerlich aber schon merke, dass ich nicht 100% sicher bin.

Wenn ich mir deine Story so anhöre, frage ich mich natürlich, wie „sicher” du dieses Projekt schon wirklich in der Tasche hattest. Ich weiß, das ist irgendwie gemein zu fragen, weil du es natürlich als sehr sicher empfunden hast, sonst hättest du dir nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Ich frage nur, weil es wirklich oft vorkommt, auch gerade, wenn du Projektanfragen aus dem Internet bekommst, dass Kunden sich auch mal mehrere Angebote/Preise einholen. Und nur weil du die ersten Gespräche mit ihm hattest, heisst das nicht, dass er danach nicht noch bei jemand anderem angefragt hat. Das ist aber auch sein gutes Recht und absolut verständlich aus der Kundensicht.

Sicher hast du einen Auftrag erst, wenn er unterschrieben ist und der Kunde dir 50% im Voraus überwiesen hat.

Hattest du ihm ein Angebot geschrieben? Hat er es schriftlich bestätigt?

Der Grund, warum ich das sage, ist, dass wir sehr sehr schnell dazu tendieren, super happy über eine neue Projektanfrage zu sein, wo eigentlich noch gar keine Sicherheit dahinter steht.

Von mir selbst weiß ich, dass ich gerade bei früheren Anfragen schon schnell in den Recherche-Prozess übergegangen bin, obwohl der Auftrag am Ende gar nicht stattfand. Das heisst, ich habe schon Arbeit geleistet, nur weil ich innerlich mich schon so gefreut hatte. Leider ist nie eines der Projekte zustande gekommen. Es war keine Sicherheit da. Ich habe mir umsonst Sorgen und Gedanken gemacht.

Und dieses Gefühl musst du erstmal überwinden. Es muss für dich „normal“ sein, so eine Anfrage zu bekommen. Egal welcher Name dahinter steht und egal wie viel Geld sie anscheinend bezahlen. Du musst durchatmen, cool bleiben, jede Anfrage als gleich „normal” betrachten und deinen Standard Prozess durchführen. Das heisst, die richtigen Fragen stellen, mit dem Kunden ins Gespräch kommen, dir ein Bild von dem ganzen machen und jede mögliche Unsicherheit klären.

Und ich weiß das ist viel verlangt und nicht einfach. Du brauchst Erfahrung um auch sicher auftreten zu können. In deinem Fall vermutlich noch 20 solcher Projektanfragen.

Glaub mir, ich war in der exakt gleichen Position. Nicht nur einmal. Ich hätte weinen können, weil ich mich innerlich gefühlt habe, als würde ich mich nicht trauen oder als hätte ich versagt.

Und vielleicht sind wir manchen Projekten auch nicht gewachsen. Und das müssen wir gezielt rausfinden und auch selber akzeptieren. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass sie uns zu lange beschäftigen.

Wenn du verstehen willst, wie du diesen Problemen aus dem Weg gehen kannst, dann habe ich hier jetzt ein paar persönliche Ratschläge für dich, die mir aus solchen Situationen geholfen haben und die ich auch gerne mit dir teilen würde.

Sei dir bewusst: Du brauchst dieses Projekt nicht!

Einer deiner Aufgaben ist es, zu wissen, wie du antwortest, wenn du mit einem Kunden schreibst, telefonierst oder im Gespräch bist. Die Fragen, die er stellt, die Fragen die du stellen musst, müssen Sicherheit haben. Der Kunde darf nicht in die Lage kommen, an etwas zu zweifeln, nur weil du etwas mit Fragezeichen erklärst. Das ist die Grundlage und du weißt, dass geht nur durch Übung. Aber für mich ist das die Basis und aus der heraus machst du folgendes:

Wenn du jemanden an der Leitung hast und er dir erzählt der Auftrag ist beispielsweise für Adobe (zufällig ein Kunde, der genau zu dir passt und für den du sehr gerne arbeiten würdest), dann willst du das Projekt ja sogar noch mehr. Du hörst nur den Namen und schweifst gedanklich schon ab. Aber das ist eine Kopfsache und ein Gedankenspiel.

Was du schaffen musst, und das ist eine extrem schwere Fähigkeit zu lernen, ist, zu sagen: „Ich brauche diesen Auftrag nicht”. Egal wie toll der Kunde ist. Du bist in einer Position, in der du diesen Kunden nicht zwingend brauchst. Im Gegenteil, er braucht dich. Und damit nimmst du dir extrem viel Druck.

Natürlich wäre das ein toller Auftrag aber dir geht’s doch gut?! Du hast meinetwegen einen Job, eine tolle Freundin, eine Wohnung, jeden Tag essen. Du bist nicht in der Position, diesen Kunden zwingend annehmen zu müssen.

In diese Position musst du aber erstmal kommen und aus der heraus musst du auch agieren. Nur so kannst du dein Gedankenspiel überwinden. Indem du dir selbst den Druck entziehst.
Wer dich braucht, und deswegen kontaktiert er dich ja, ist der Kunde. Du bist also in der besonderen Position, dass er auf dich zukommt. Nutze das aus.

Was ist so schlimm daran abzusagen? „Nein” ist dein Freund!

Ich weiß, von außen ist es immer leicht zu sagen, du brauchst diese eine Sache ja eigentlich nicht. Aber du selbst weißt, dass du das Projekt eben schon sehr gerne machen würdest.

  • Warum brauchst du dieses Projekt?
  • Bekommst du zu wenige Aufträge?
  • Hast du zu wenig Geld?
  • Möchtest du mehr Erfahrung sammeln?
  • Oder alles zusammen?

Um nicht in ein Problem wie deines zu kommen, wo du das Gefühl hast, du bist etwas nicht gewachsen, musst du alle diese Sorgen streichen können. Bei mir persönlich hat es nur so funktioniert.

Ich kann in jede Projektanfrage mit einer „diesen Auftrag brauche ich nicht” Einstellung reingehen.

  • Gedanklich weiß ich, ich habe genügend Arbeit zu tun.
  • Innerlich weiß ich, nach dieser Projektanfrage kommt wieder eine nächste und wieder eine nächste. Es ist egal, ob ich sie absage.
  • Ich habe mir genügend Geld angespart, um ein halbes Jahr in Sicherheit ohne Auftrag leben zu können.

Der Punkt Erfahrung ist natürlich nie abzuhaken. Das ganze Leben ist ein Lernprozess und bei jedem Projekt kannst du mehr Erfahrung sammeln. Aber die Erfahrung, die du in der Vergangenheit gemacht hast, muss mir genügend Sicherheit geben um absolut kein Problem mit irgendeinem Punkt in der Auftragsbeschreibung zu haben. Wenn da was dabei ist, das ich noch nie gemacht habe, dann muss ich das ehrlich kommunizieren oder das Projekt absagen. Aber damit darf ich keine Probleme haben.

Every yes is a no to everything else. To earn the right to say yes, you must say no many more times. No is your friend.
Sean McCabe

Du brauchst mehr Projektanfragen

Ich will offen und ehrlich sein. Ich erhalte momentan monatlich drei bis vier Projektanfragen und ich habe alle im letzten halben Jahr abgesagt. „Nein” ist für mich die Ausgangslage geworden. Ich habe genügend Arbeit und interessante Projekte, die ich zusammen mit einem Kollegen bearbeite. Das heisst, es könnte Adobe oder sonst wer um die Ecke kommen und ich würde trotzdem „nein” sagen können. Und das gibt mir extrem viel Stärke und Selbstvertrauen. Und nur über diesen Weg habe ich das auch geschafft.

Das Projekt muss also wirklich sehr verlockend und interessant für mich sein, dass ich es zusätzlich annehmen würde. Und es waren definitiv bei den letzten Anfragen interessante Projekte dabei, aber abzusagen oder zu meinem Preis zu stehen, ist heute mein Standard.

Meine Ausgangslage ist jetzt also eine andere als bei dir. Du bekommst wie viele gute Projektanfragen pro Monat? Wenige? Wie viele pro Jahr? Drei? Vielleicht fünf? Klar fühlst du dich da, als würdest du dieses Projekt brauchen.

Um dein Gefühl überwinden zu können, brauchst du also auch mehr Projektanfragen. Wie du das hinbekommst ist ein anderes Thema aber für mich hat es funktioniert.

Vertrauen aufbauen durch Ehrlichkeit

Jetzt noch mal kurz ein paar Punkte, die ich vielleicht anders gemacht hätte:

Eins deiner Sorgen war: Kann ich den Kundenwunsch eigentlich erfüllen?

Sag dem Kunden ehrlich, dass du mit dem Projekt ein wenig überfordert bist oder wo du Schwierigkeiten siehst. Und selbst, wenn du nicht „überfordert” verwenden möchtest, sag ihm, dass du nach deinen Erfahrungen dafür mehr Hilfe benötigst.

Offen und ehrlich zu sein, zahlt sich immer aus. Und damit positionierst du dich auch als Experte. Du kannst das Projekt analysieren und ihm sagen, dass folgende Leute benötigt werden.

Du musst zu deinen Sorgen stehen und wenn du ihm am Ende absagst, auch keine Ausrede erfinden müssen. Deine Sorgen helfen ihm auch weiter und vielleicht kommt er deshalb irgendwann wieder auf dich zurück.

Hol dir zusätzliche Hilfe/Mitarbeiter

Ist das Projekt zu groß für mich?

Habt ihr über einen Zeitplan gesprochen? Wie war die Deadline?

Wenn du schreibst, dass du alleine bestimmt ein Jahr gebraucht hättest, hätte das der Kunde überhaupt mitgemacht? Wäre das nicht der Zeitpunkt gewesen, zu sagen, wenn es schneller gehen soll, musst du dir noch andere mit ins Team holen?

Der Kunde weiß nicht, wie lange bestimmte Dinge dauern. Hier ist deine Erfahrung gefragt.

Und indem du dir andere mit ins Boot holst, nimmst du dir selbst die Unsicherheit. Weil eines deiner Hauptsorgen war ja, dass das Projekt zu viel bzw. zu groß für dich ist. Warum also nicht jemanden Erfahrenen für einen bestimmten Bereich mit reinholen? Du kannst nicht alles alleine machen und das musst du akzeptieren!

Das massive Projekt in kleinere Etappen unterteilen

Du kennst das sicher aus vielen Bereichen. Wenn du eine große Aufgabe oder ein Ziel in kleinere ToDos unterteilst, wirkt es auf einmal gar nicht mehr so riesig. Das Gleiche funktioniert auch bei Kundenprojekten.

Bau einen Zeitplan auf und sage realistisch, wann welche Aufgabe gemacht werden kann. Ein Jahresprojekt klingt erstmal wahnsinnig erdrückend, aber was ist, wenn du dir einzelne Parts nimmst und jeden Monat ein bisschen was abhakst?

Auch wenn das Ganze ein großes Projekt ist, das auch lange dauert, darfst du dich nicht vom Umfang erdrücken lassen.

Von Anfang an die richtige Größe an Kunden anziehen

In der Tat habe ich schon mal eine Q&A Frage zu einem ähnlichen Thema beantwortet. Es liegt also auch an dir, welche Kunden du mit deinem Portfolio anziehst und welche Projekte vielleicht wirklich zu groß für dich sind. Ein weiterer Beitrag passend zu diesem Thema:

Q&A: An Grenzen stoßen und sich Projekt nicht zutrauen

Ich hoffe, ich konnte dich mit dieser Folge ein wenig Stärken. Falls du auch eine Frage oder ein Anliegen hast, sende mir gerne eine Nachricht.